Hermann Speckmann
Vom alten Markt in Ganderkesee
So lautet die Überschrift in einem Beitrag von Björn Vosgerau in „ Von Hus un Heimat“, 1997. 3. 20-21. Versuchen wir, ausgehend von diesem Beitrag, den Platz des alten Marktplatzes in Ganderkesee zu bestimmen.
Ganderkesee war der zentrale Kirchort des westlichen Largaues, der sich von der Weser bis zur Hunte, von Berne bis Harpstedt erstreckte. Überdies lag er zwischen zwei wichtigen Verkehrswegen, der Friesischen und der Flämischen Straße. Zahlreiche Menschen müssen den Ort, besonders zu den Gottesdiensten, aufgesucht haben. Der Mark in Ganderkesee fand einmal im Jahr am 14. September, am Gedenktag des Heiligen Cyprian, satt. Pastor Bultmann nimmt an, dass Ganderkesee das Marktrecht bei der Gründung der Kirche erhalten hat. Inhaber des Marktrechts waren über Jahrhunderte adelige Familien.
Nach Vosgerau bietet sich als Ort des Marktes am ehesten ein Platz vor dem heutigen Bekleidungsgeschäft Cactus, der Pastorei und der ehemaligen Post an. Folgende Indizien sprechen dafür: Nach alten Karten dürfte sich dort ein zentraler Platz befunden haben. Um diesen Platz standen auch die ältesten Häuser von Ganderkesee. 1681 wird von einer alten Linde neben einem Haus berichtet, dass auf dem Grundstück bei der heutigen Ausgabestelle der Tafel und dem Geschäft Cactus stand. Im Seelenregister von 1678 lautet die Adresse des Pastorennachbarn „Bey der Linde“.Bultmann berichtet, dass bis 1842 an der „Pastorenpforte“ eine uralte Linde stand. Vosgerau hält es für wahrscheinlich, dass diese Linde an dem Platz stand, an dem heute die große Kastanie steht, die 1842 als Ersatz für die Linde gepflanzt wurde. Sie steht also zwischen der Pastorei und der Kirche sowie den ältesten Häusern von Ganderkesee. An dem Platz, links neben dem Geschäft Cactus befand sich auch ein Ziehbrunnen, der der Pastorei gehörte. Die Wasserversorgung für den Markt war gesichert. Und es gibt noch einen weiteren Hinweis, dass dort der alte Marktplatz war. Gegenüber der Pastorei wurde 1625 das Pfarrwitwenhaus gebaut, das frei von Hand-und Spanndiensten war. Sicher, weil es auf kirchlichem Grund errichtet wurde. Der Bereich zwischen der Pastorei und dem Pfarrwitwenhaus mit dem Ziehbrunnen, also der vermutete alte Marktplatz, war kirchlicher Besitz. Dies ist von Bedeutung, da die Hälfte des Standgeldes der Händler des Marktes der erste Pastor erhielt, weil das Marktgelände Pfarrland war! Diese Belege lassen die Vermutung, dass sich dort der alte Marktplatz von Ganderkesee befand, m.E. zu einer hinreichenden Gewissheit werden. Mit keinem anderen Platz in Ganderkesee ist diese Fülle von Indizien verknüpft. Auch die Archäologin Silvia Thüne, die den Arp-Schnitger-Parkplatz 1912 untersuchte, erklärte, dass sich der Marktplatz nördlich der Kirche befunden habe.
Besonders auffällig ist, dass an der Außenwand der Sakristei der Kirche ein Granitblock eingelassen ist, also in der Nähe des vermutlichen Markplatzes. Seine Maße betragen: 44,5 cm Höhe, 61 cm Unterkante und 50 cm Oberkannte. Um die Geheimnisse dieses rätselhaften Steins zu lösen wandte ich mich an Professor Dr. Ing. Albrecht Kollmann, Bauhistoriker. Er schrieb mir, dass in der Antike und dem Mittelalter genutzte Elle 33,33 cm lang sei. Diese Maß findet sich in den Maßen des Steins wieder. Höhe des Steins: 4 x 33,33/3 = 44,44 cm. Länge an der Unterkante des Steins: 11 x 33,33/6 = 61,11 cm. Länge an der Unterkante des Steins: 3 x 33,33/2 = 50,0 cm
Diese 33,33 cm haben einen Annäherungswert zum „Aachener Königsfuß“ (32,24 cm, davon aber Abweichungen). Nach diesem Maß, dass Karl der Große eingeführt haben soll, wurde die Aachener Pflanzkapelle gebaut und wahrscheinlich auch die Kathedrale von Chartres. Der Stein an der Außenmauer der Kirche zu Ganderkesee muss eine Funktion gehabt haben. Ein Maßstein für die Händler und Käufer des Marktes? Aber dann hätte man auf dem Stein eindeutig Anfang und Ende der Maße markieren müssen, was nicht der Fall ist. Oder dokumentiert er das Maß, das beim Bau der Kirsche benutzt wurde, oder war er ein Maßstein für die frühere Landvermessung? Das Land würde von Kirche zu Kirche vermessen.
Die Hoffnung, dass diese Hinweise bei der Ortskernneugestaltung von Ganderkesee Beachtung finden und der sehr wahrscheinliche Ort des Marktplatzes im neu verlegten Straßenpflaster markiert wird, erfüllte sich nicht. Soviel kreativer Mut war leider nicht vorhanden, um die Bedenkenträger zu überstimmen. So geht Geschichte verloren.