geb.1937 –      / Sozialarbeiter, Diplom-Pädagoge, Autor
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Der Glaube der Großsteingräberleute

Rezension:

Speckmann, Herrmann: Der Glaube der Großsteingräberleute. Isensee Verlag: Oldenburg 2018 ISBN-Nummer 978-3-7308-1470-3; 56 Seiten mit zahlreichen Abbildungen; Euro 12,90

Im Westen Niedersachsens sind Megalithgräber zahlreich vorhandenen. In seinem 16. Buch stellt F.A.N.-Mitglied Herrmann Speckmann diesen Dolmen, Ganggräbern und Hünenbetten gewissermaßen die »Gretchenfrage«: Welcher Glaube mag ihrer Errichtung wohl zugrunde gelegen haben? Vor allem die Großsteingräber im Oldenburger Land und im Emsland stehen im Mittelpunkt seines Interesses – und die volkstümlichen Überlieferungen, die sich bis heute um sie ranken. Denn gerade im sogenannten „Volksglauben“, also den volkskundlich überlieferten Sagen, Märchen, Erzählungen und Bräuchen, sieht der Autor den fernen Nachklang einer ursprünglich ganz ähnlich mit ihnen verbundenen Ritualistik und Magie. Angeleitet von Schamanen oder weisen Frauen (den geisterhaften „Witten Wiewern“ der regionalen Sagenwelt) kreisten demnach viele Rituale um die Verehrung einer „Dolmengöttin“, deren Symbolik sich weniger in Nordwestdeutschland, dafür aber in weiteren Regionen der Megalithik wiederfinden ließe. So verfolgt der Autor den Ansatz, archäologische Befunde mit einer überlieferten Sagenwelt in Verbindung zu bringen, um die Motivationen, sprich: den Glauben, der Megalither zu ergründen.

Das Buch ist verständlich geschrieben und mit zahlreichen Abbildungen illustriert. Viele Archäologen scheuen die Frage nach rituellen/kultischen Motivationen der Forschungsobjekte  »wie der Teufel das Weihwasser«, diskreditieren diese teilweise sogar als vermeintlich »unwissenschaftlich«. Eine Ursache liegt darin, dass die Archäologie ist zwar ganz gut darin ist, materielle Hinterlassenschaften zu sortieren, aber bislang nur überraschend wenig versiert, diese methodisch fundiert zu interpretieren. Der Abgleich literarisch-volkskundlicher Überlieferung mit archäologische Daten ist gewiss nicht neu und stößt sicherlich auf quellenkritische Grenzen. Die für Speckmann als »gelernten Pädagogen« aber offenbar eigentlich dahinter stehende psychologisierende Frage nach einer einheitlichen Wahrnehmung menschlicher Wesen, die immer wieder vergleichbare Einstellungen und Handlungsweisen in der Vormoderne hervorgebracht haben, ist aber mehr denn je aktuell. Leider versäumt es der Autor, seine Aussagen mit Literaturbelegen zu versehen. Ganz zweifellos aber waren die Megalithgräber schon in ihrer Funktion als Bestattungsplätze Orte magisch-mythischer Handlungen, also Kondensate eines ebenso geprägten Glaubens. Und ebenso zweifellos ist das in der Vergangenheit vorherrschende magisch-mythische Denken der Schlüssel zum Verständnis dieser Anlagen. Der von Speckmann ganz allgemein verfolgte Ansatz wird unter den Vorzeichen einer systematischen, vergleichenden Psychologisierung archäologischer und kulturwissenschaftlicher Daten in Zukunft sicherlich an Bedeutung gewinnen.

Benedikt Knoche