Hermann Speckmann
Tacitus berichtet in den Annalen (ca.115 n.Chr.): „(Arminius war) unzweifelhaft der Befreier Germaniens und ein Mann, der Krieg mit Rom führte, nicht wie andere Könige und Herrscher, als es noch klein und unbedeutend war, sondern als es auf der Höhe seiner Macht stand. In Schlachten war er nicht immer siegreich, im Kriege blieb er unbesiegt. 37 Jahre wurde er alt, 12 davon Herrscher. Noch jetzt wird sein Andenken von den barbarischen Völkern in Liedern gefeiert.“
Keines dieser Lieder ist als solches erkennbar erhalten. Die Geschichte verzeichnet, dass mehrmals religiöse Fanatiker germanische Liedersammlungen vernichtet haben. So bleibt nur, in den Restbeständen zu forschen, ob sich Überlieferungsspuren von Arminius finden. Ausgangspunkt waren die Erzählungen vom Held Siegfried, hinter dem man früh Arminius vermutete. Unter dieser Annahme haben sich seit 200 Jahren etliche Autoren bemüht, Belege für die Identität von Arminius und Siegfried zu finden. Ein Beweis ist keinem gelungen, und das gilt auch für diesen Beitrag. Er versucht, bisherige Ergebnisse kompakt zusammenzustellen und einen neuen Ansatz für die Verortung der Gnitaheide vorzustellen.
Zunächst zu den mageren Indizien, die dafür sprechen, dass sich den Schriftquellen eine Erinnerung an den Krieg germanischer Stämme unter Führung von Arminius gegen römische Legionen in der Zeit von 9 n.Chr. bis 17 n.Chr. findet.
1. Der Feind wird als Drache mit dem Namen Fafnir (der Umschlinger) bezeichnet. Allein mit der Bezeichnung Drache oder glänzende Natter oder funkelnde Schlange in den Sagen kann nur die römische Qkkupationsarmee gemeint sein. Wann denn in der frühen deutschen Geschichte zog ein mindestens 40 km Kilometer langer Heerwurm (Varus mit drei Legionen) durch die Heiden und Wälder Germaniens? Die Versinnbildlichung eines derartigen Anblicks als Drache dürfte unmittelbar einsichtig sein und wird in der Literatur anhand von Beispielen bestätigt. Die römischen Standarten waren mit Drachenköpfen besetzt. Im 4. Jahrhundert führte das römische Heer bronzene Drachenköpfe mit langen Stoffleibern ein, die sich im Wind blähten.
2. In der Edda und den Sagas ist Sigurd der gewaltigste aller Heerkönige nach Geschlecht, Kraft und Sinn. Nie wieder würde ein solcher Mann in der Welt leben und geboren werden. Sein Name wird weder in deutscher Zunge noch bei den Nordleuten je vergessen sein. Diese Aussagen können sich nur auf Arminius beziehen. Unter seiner Führung hat in Norddeutschland ein germanischer Stammesverband von Bauernkriegern mit Holzschilden und Holzspeeren eine gedrillte Armee von Soldaten mit Schuppenpanzern und Metallwaffen besiegt. Das war ein singuläres Ereignis. Andere derartige Siege sind dort in dem Zeitfenster nicht bekannt.
Dagegen könnten Kritiker den Sieg eines Sachsenheeres unter Widukind über ein Frankenheer unter Karl dem Großen im Jahre 787 am Süntel anführen. Aber die Belege für ein früheres Geschehen sind älter. Die frühesten Illustrationen zur Siegfriedsage setzen im 8. Jahrhundert an. Der gotländische Bildstein Austers I, der den Kampf Siegfrieds gegen den Drachen darstellt, wird um 400 bis 600 datiert, die aber bestritten wird.
3. Sigfrid nimmt dem sterbenden Fafnir (Neben Drache auch ein Mensch, mit den man sich sogar in der Sterbephase interessiert austauchen konnte) den Oegishelm, den Schreckenshelm ab. Fafnier hatte ihn, nach eigener Angabe, auf, um Feinde abzuschrecken. Auf römischen Phaleri (0rden) sind derartige Helme bzw. Masken abgebildet, zumeist mit Gorgonen- oder Medusenhaupt. Die in Kalkriese gefundene Maske ist nur ein schwaches Abbild. Ein eindeutiger Hinweis: Der Fafnir symbolisiert ein römisches Heer.
4. In der Edda (Reginsmal) wird über die Herkunft des Fafnirgoldes folgendes gesagt:
Das Gold, das Gust hatte
Brüder zwein bringen den Tod
und acht Fürsten Fehde wecken:
niemandem nütze mein Gut!
Die Vermutung liegt nahe, das mit „Gust“ Kaiser Augustus gemeint sein könnte, der ja zur Zeit der Varusinvasion Vorgesetzter von Varus war. Naheliegend ist auch, das Augustus im germanischen Mund zu Gust werden konnte.
5. Sigurd wird in der Edda wiederholt als der „ hunische“ bezeichnet. Die Hunen bewohnten Westfalen (Ost-und Westfalen), wahrscheinlich auch bis zum Fahlenland (siehe später), dem Cheruskergebiet.
6. Die Meinung, dass Arminius mit germanischen Namen Siegfried geheißen haben könnte, ist mit der Angabe von Paterculus (Sohn des Sigimer) schwach begründet. Von anderen Autoren wird er nicht bestätigt. Da es bei den Germanen verbreitet war, den Sippenmitgliedern ähnliche Namen zu geben, drängt sich natürlich diese Vermutung auf. Immerhin, die Edda und die Sagen bestätigen Paterculus, darin werden Siegfriednamen genannt.
Bedeutsam für die Beurteilung der Eddaaussagen ist, dass der Drachentöter im Norden ursprünglich auch Siegfried hieß! Professor Hermann Reichert: „Das Erstaunliche ist, (…) dass die ältesten skandinavischen Belege ebenfalls auf „Siegfried“ hinweisen und in hochmittelalterlichen Abschriften mehr oder weniger gründlich durch „Sigurd“ ersetzt wurden.“ (S. 147). Das dürfte vertrauensbildend für die entsprechenden Texte der Edda sein, vielleicht sogar eine Bestätigung: der Sigurd der Edda ist der Arminius der Geschichte.
Alle Versuche, den germanischen Namen von Arminius zu finden, dürften vor der Sprachwissenschaft gescheitert sein.
7. Personenvergleich (nach H. Krause) Von Vellejus Paterculus, einem römischer Reiterobert, der auf Feldzügen gleichrangiger Begleiter des Arminius war, ist eine Beschreibung von Arminius überliefert. Sie wird – verkürzt -verglichen mit dem 22. Kapitel der Völsungensage:
Paterculus
Ein Jüngling von edlem Geschlecht
Von starker (tapferer) Hand
Sohn des Sigimerus
Ein Jüngling aus dessen Antlitz
geistiges Feuer leuchtete
Er dachte nicht unweise …
dass es möglich sei, die Römer
zu überwältigen, behauptete er
mit Zuversicht und überzeugt
davon auch seine Gefährten.
Völsungensage
Siegfried stammt von den Asen ab
Siegfried spricht zum sterbenden
Fafnir: ..dies ist die starke Hand…“
nach der Sage: Sohn des Sigmund
Seine Augen waren so durchdringend,
dass wenige wagten, ihm unter die
Brauen zu blicken.
Er war ein weiser Mann, so dass er noch
ungeschehene Dinge im Voraus wusste…
Er war ausführlich und gewandt im
Reden, so dass er niemals anhub über
eine Sache zu reden, davon er eher
abgelassen hätte, als bis es allen so
schien, dass es keineswegs anders sein
könnte als er sagte.
Eine Übereinstimmung wird man erkennen können. Ob sie hinreicht, anzunehmen, dass hier eine Person beschrieben wird, wird sicherlich unterschiedlich beurteilt. Immerhin kann es nach meiner Meinung als Möglichkeit gesehen werden, dass die Völsungensaga von dem historischen Arminius berichtet.
7. Zuletzt ein Hinweis auf den äußerst verwunderlichen Inhalt der 42. Strophe der Völuspa (in der Übersetzung von G.Schierenberg nach dem Hauksbuk):
Von Osten kommt nun der Römer geritten,
Doch vor ihm erbebt sich der Lindenschild.
Mit Riesenmacht naht sich die Erdenschlange,
Der Wurm schlägt die Wogen, der Adler flattert,
Römer schleppt schwach = bleich die Leichen zu Hauf,
Und löset vom Nagel die warnend da baumeln.
Auch G. Schierenberg erinnert dieser Text an die Handlungen des Germanicus, der im Jahre 15 n. Chr. das Varusschlachtfeld aufsuchte. G. Schierenberg sieht Hrymr als Rrymr.
Da der Text so ungewöhnlich ist, nachstehend zur Überprüfung der Originaltext:
Hrymr ekr austan hefiz linth fyrir
snyz iörmungandir i iotunmothi
ormr knyr unnir enn ari hlakkar
slitr nai nauthfölr naglfar losnar.
Ergebnis: Eine beweisende Gewissheit für die Gleichsetzung Ariminus – Siegfried dürfte auch mit den vorstehenden Indizien für kritische Leser kaum erreicht werden. Andere werden eine Gleichsetzung, wie auch der Autor, für wahrscheinlich halten
Zur Beweisführung von Inhalten dieses Beitrags, sind nicht die Nibelungensage und die Thidreksaga angeführt, da sie, wenn sie denn zutreffen sollten, so verstümmelt sind, dass sie nicht hinreichen. Dies gilt auch für andere Sagen wie das „Lied vom hürnin Siegfried“ und dem “starken Hermel“, die angeblich Sequenzen aus der Arminiusbiografie enthalten sollen.
Wo ist die Gnitaheide, auf der Sigurd den Fafnir tötete?
Im Reisebericht des Abtes Nikulas von Tvera von Island wird der Pilgerweg vom Norden nach Rom beschreiben. Er reiste, vermutlich auf der Wäänstraße (Wagenstraße), im Jahre 1172 von Bremen über Paderborn nach Mainz. In Paderborn notierte er in seinem Reisetagebuch: “Von Paderborn bis Mainz sind vier Tagesreisen. Zwischen diesen beiden Orten liegt ein Dorf namens Horus. Ein anderes heißt Kiliandr und dort (in der Mitte zwischen den beiden = andere Übersetzung) ist die Gnitaheide, wo Sigurd den Fafnir schlug.“ Eine andere Übersetzung lautet “…wo Sigurd den Fafnir angriff.“ Danach war der Fafnir auf einem Weg und wurde auf diesem nicht besiegt.
Diese Angaben dürften bedeutsam sein. Die ersten Bischöfe von Island wurden in Herford ausgebildet. So schickte Gissur der Weiße, Mitglied einer der größten Familie des Landes. seinen Sohn Isleif zum Studium an die Klosterschule zu Herford. 1045 wurde er zum Bischof aller Isländer gewählt und am 26. Mai 1050 in Bremen geweiht. Damit hatten die Isländer sicher Kenntnisse von geschichtlichen Ereignissen und Orten in Westfalen.
Unklar ist, wie „zwischen den beiden Orten“ zu verstehen ist: Zwischen Stade und Mainz oder aber zwischen Paderborn und Mainz. Die meiste Interpreten haben sich für „zwischen Paderborn und Mainz“ entschieden. Dann wären die Dörfer Horus und Kiliandr zu suchen.
Eine Hypothese: Horus= Horhusen, heute Marsberg. Kiliandr = Brenken a. d. Alme mit der ältesten Kilianskirche. Aber eine Gnitaheide lässt sich zwischen diesen Orten nicht nachweisen, geschweige denn Spuren eines Kampfplatzes.
Um es kurz zu sagen: Alle bisherigen Positionierungsversuche der Ortsbezeichnung Gnitaheide zwischen Stade und Mainz leiden unter diesem Mangel und sind daher nicht überzeugend.
Ein Ansatz, den Ort der Gnitaheide zu bestimmen, findet sich in der Edda
Zunächst ist es überraschend, in isländischen Aufzeichnungen geografische Angaben von Westfalen zu finden. (Schon die Gebrüder Grimm wunderten sich darüber.) Die Ereignisse um die römisch-germanische Auseinandersetzung von 9 bis 19 n. Chr. in Norddeutschland müssen eine enorm eindrückliche Resonanz im Norden und Eingang in die dortige schriftliche Überlieferung gefunden haben.
Textauszüge aus der Edda:
In der Hredimarsage wird von einer Gnitaheide berichtet. Siegfried wird dort Sigurd genannt.
Fafnir fuhr mit dem Goldschatz zur Gnitaheide, machte sich ein Bett und nahm Schlangengestalt an. Da grub Sigurd eine Grube auf Fafnirs Wege und setzte sich hinein. Als nun Fafnir zum Wasser kroch und über die Grube kam, da durchbohrte ihn Sigurd mit dem Schwert, und das war sein Tod. An den Portalen von Holzkirchen im nördlichen Europa finden sich sorgfältig geschnitzte Darstellungen aus der Völsungensaga, besonders häufig, wie Sigurd in der Grube sitzt und den Fafnir/Fafner/Fabni/Favni/Vafner/Vavni/Varus? tötet. Ebenso auf Runensteinen der Isle of Man und am Portal des Doms zu Sanguisa/Spanien. Es zeigt weiter, welches Echo die römische Niederlage in der damaligen Welt fand.
(aus: Ahrens, Claus: Frühe Holzkirschen im Nördlichen Europa, Veröffentlichung des Helms-Museums Nr.29,1982, 463)
Auf der Spur des Drachens, den „Fahrweg“ (Heerweg?) reitend, fand Sigurd das Haus. Es war offen, die Türpfosten waren aus Eisen und aufgeklemmt. Sigurd fand Gold, in der Erde vergraben. (Wenn Fafner zum Wasser kroch und Sigurd dieser Spur folgte, dann lag das Haus am Wasser und war zerstört: Das Sommerlager von Varus nach Lagerkampf ?)
Wenn Fafnir zu Wasser fuhr, um zu trinken, lag er auf einer Klippe, die 30 Klafter (ca. 55 Meter) über dem Wasser war. So hoch wie die Klippen zur Weser bei Herstelle. Vor 1841 wurden dort in einer Zisterne eine Anzahl römischer Metallspiegel, Waffenfragmente und Trinkgefäße gefunden.
In der Liederedda wird beschrieben, wie König Gylfi bei seiner Reise von Schweden nach Asgard zu der Gnitaheide im Land der Cherusker kommt. Wenn er sich dort mit dem Gesicht zum Sonnenuntergang umsah, hatte er die Höhen von Asgard vor sich und ein Waldgebirge.
Sigurd wohnt in einem „Kastell, wie du nimmer ein ebenso schönes sahest,“ nämlich in „Marstein“ im „Burgwalde“. Unzweifelhaft ist damit Marsberg (Eresburg?) gemeint.
Das Rätsel Nithar
In der Völuspa, Vers 36, heißt es:
E stand nordwärts auf den Nitha-Feldern
Ein Saal für Sindris Geschlecht
Ein andrer stand zu Okolni.
Die Völuspa berichtet weiter von drei großen Sälen (Kirchen?) zu Okolni (Köln?), Brimi (Bremen?) und von einem dritten aus Gold auf den Nitha-Feldern/Felsen (Marsberg-Eresburg?), der für Sindris Geschlecht erbaut wurde, Gold, ein Hinweis auf die alten Erzgruben um Marsberg? Die Diemel führte früher Gold.
Der letzte Vers der Völuspala lautet:
Nun kommt der dunkle Drache .
Die Natter hernieder aus Nidafelsen
Das Feld überfliegend, trägt er auf den Flügeln
Nidhöggurs Leichen – und senkt sich nieder.
(Nidhöggurs = tödlicher Hieb/Mord)
Eine andere Übersetzungen des Textes:
Jetzt rauscht die Zeit auf dunklem Fittig
Über Asgard dahin – Der glanzvolle Drache
Er trägt nun Leichen in seinen Ringen
Vom Nidfels herauf – Nun versinkt die Wala
Es kam der dunkle, fliegende Drache, die glänzende Natter, herauf von Nitha….
Wo ist Nitha?
Niedermarsberg, früher Horhusen = Horus, liegt im alten Ittergau, der nach G. Schierenberg und Beneke vorher Nithar-Gau hieß. Benennung nach dem Flußnamen Nitha= Nethe. Aus Nithar könnte sich nach westfälischem Sprachgebrauch (so A. Beneke) Gnita entwickelt haben.
Wikipedia Artikel zu Ittergau heißt es: „Der Ittergauu (ittergowe) auch als „Nitherga“ bekannt, war ein mittelalterlicher Gau an der Grenze mittleren Eder im Norden von Hessen, benannt nach dem Eder-Nebenfluss Itter. Die territoriale Ausdehnung des Ittergaus variierte im geschichtlichen Verlauf; genaue Grenzen sind derzeit nicht gesichert.“
Die Edda kennt offenbar den Ittergau, der eine historische Realität und kein sagenhaftes Land ist. Nach dem Wikipedia-Beitrag könnte die Region zwischen Dahlheim und Meerhof nicht zum Ittergau gehört haben, wie die Edda meint. Das mag den Überlieferungswegen geschuldet sein.
Ein verwunderlicher Befund, der in seiner Rätselhaftigkeit mehr aufklärendes Bemühen verdient hätte.
In der Edda finden sich weitere Hinweise, dass sich dort die Gnitaheide befunden haben könnte: In Gudruns Rechtfertigung heißt es: „Wir wirkten und woben die Waffentaten des Sigmunds und Sigurds südlich von Eil.“ Am Nordrand des Nithar/Ittergaues findet sich Eilern am Eiler Berg.
Die heutige Kleinsiedlung Eilern liegt unterhalb des Eilerberges. Am Eilerberg befindet sich eine Quelle, die heute nur noch periodisch Wasser führt. Sie muss früher ständig ergiebig Wasser geführt haben, andernfalls hätte dort keine bedeutende Siedlung bestehen können. Das dort gefundene Scherbenmaterial ermöglicht den archäologischen Nachweis einer Besiedlung um Christi Geburt (G. Henkel).
Eilern besaß durch seine zentrale Lage eine Vorrangstellung unter den Dörfern des Sintfeldes.
Da sich auf den meisten dortigen Wüstungen kaiserzeitliche Siedlungsspuren nachweisen lassen, kann man von einer breiteren Besiedlung des Gesamtraume zur Zeit der römischen Okkupation ausgehen,
Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen finden sich diese geografischen AngabenausNorddeutschlandinder Edda.Dem Schreiber der Völuspa muss berichtet worden sein, dass dort Kämpfe stattgefunden haben.
Ein Rätsel.
R. Busse verfolgt eine andere Spur die in den Nithargau führt:
Der Ort Horus ist eindeutig belegt: Niedermarsberg. Verfolgt man die Straße von Paderborn ins Hessische, quert man das Soratfeld mit der Stadt Lichtenau. Etwa einen Kilometer nördlich findet er die mittelalterlich Wüstung „Kerkthorp St. Kilian“ mit einem Kilianspatrozinium. R. Busse meint, das sei Kiliandr. Kiliandr könnte aber auch Lichtenau sein, denn das Patronat wurde auf die Pfarrkirche Lichtenau übertragen.
Die Reisenden mussten, um nach Mainz zu gelangen, ab Kerkhorp auf der“ via regia“ in Richtung Dahlheim abbiegen. Dort gelangten sie auf eine weite Ebene mit weithin leuchtenden scherbigen Kalksteinplatten, eine Scherbensaat. Die Reisenden hatten die Gnitaheide, die glänzende Heide, erreicht. Gnita heißt im Norwegischen (und im Sächsischen): Geröll, Scheibe.
In der Nähe des “Eiler Berges“ findet R. Busse die mittelalterliche Wüstung Boclon, die er nach den Oberflächenfunden als ehemaliges germanisches Heiligtum ansieht. Eine ehemalige Teichanlage und kaiserzeitliche Scherben lassen eine frühere Bedeutung des Platzes annehmen.
Auf dem Sintfeld sind nach G. Henke auf acht Wüstungen kaiserzeitliche Siedlungsspuren nachgewiesen worden. Zur Zeit der römischen Okkupation war der Raum besiedelt. Erst im 14. Jahrhundert kam es durch kriegerische Ereignisse zu Wüstungen.
Nach R. Busse ist dort der nördliche Abschnitt der Gnitaheide, das Gebiet zwischen Dahlheim und Meerhof, das Sintfeld, entlang der „via regia“, der Ort der Varusniederlage. Die von Tacitus erwähnten Heiligen Haine befanden sich nach Busse in der 1500 m entfernten Wüstung Boclon.
Busse sieht in einem Hügel ( Höhe ca. 5 m, Umfang: 210 m) nordöstlich vom Kloster Dahlheim, dem merkwürdigen „Hüvelken in dem Felde“ den Tumulus, den Germanicus für die Toten der Varusschlacht errichtet hat. R. Busse findet dort Metallgegenstände. Urkundlich soll dort der Begräbnisplatz des Wüstung Versede gewesen sein. Irritierend: Während sonst in den Wüstungen Kirchhöfe gefunden wurden, in denen die Toten in der Erde begraben wurden und die sich in der Nähe der Kirchen befanden, sollen die Verstorben von Versede in einem Hügel auf ehemals freiem Feld aufgeschichtet worden sein? Die oberste Lage soll nach R. Busse aus Gesteinsscherben bestehen, die aus einem etwa 175 m nordöstlich gelegenem Steinbruch stammen sollen. Germanische Hügelgräber bestehen aus Sand. In Hügelnähe fand Busse eine Knickfibel vom Typ Algren 19, die in Zusammenhang mit römischem Militär steht. In der in der Nähe des Hügels gelegenen Wüstung Versede wurden zwei römische Kupfermünzen mit dem Gegenstempel des Varus gefunden.
Im Übrigen ist der archäologische Befund für den Bereich zwischen Lichtenau und Marsberg mager.
Möglich: Die geografischen Angaben in der Edda zu Nithar könnten ihre Bestätigung durch die Forschungsergebnisse von R. Busse finden.
Wenn ja, könnte Abt Nikulas Recht haben: Die Nitharheide = Gnitaheide liegt zwischen = Horus = Horhusen = Marsberg und Kiliandr = Lichtenau.
Die folgenden drei Kapitel bringen Informationen, die im Hinblick auf die Fragestellungen spekulativ sind. Sie finden hier ihren Platz, weil sie Hinweise für Forscher sein könnten, gesichertere Belege zu finden.
Wer ermordete Arminius?
Im Jahre 19 n. Chr. wurde Arminius “durch die Heimtücke seiner Verwandten“ (Tacitus) ermordet. Ein Motiv hatten viele der damaligen Akteure: So sein Schwiegervater Segestes, dessen Tochter angeblich Arminius raubte. Segestes war mal Mitstreiter, mal Gegner des Arminius. Beide legten sich gegenseitig in Ketten. Letztlich griff Segestes für die Römer Partei. Als Mörder kämen Brüder von Thusnelda in Betracht, da Tacitus von Verschwägerte als Mörder spricht, nicht von Blutverwandten. Im Sigfridmythos sind die Mörder Sigfrids Verwandte. Die hatten auch wohl Chancen, in den Schlafbereich von Arminius zu kommen, denn in der nordischen Überlieferung wurde er im Bett ermordet.
Tacitus schreibt nicht von einem Mord, sondern er „fiel“ (lat.cecidit). Das kann nur mit einer Kriegswaffe geschehen sein. Nach der Helgakvida mit einem Speer.
Inguiomer, Mitkämpfer von Arminius, aber immer in Konkurrenz zu Arminius. Er wollte sich dem jugendlichen Neffen nicht unterordnen, was zu seinem eigenmächtigen Handeln führte, und sich im Schlachtverlauf nachteilig für die Germanen auswirkte. Arminius Bestreben, oberster Fürst der Cherusker zu werden, wird nicht die Zustimmung von Inguiomer gefunden haben. Aber er selbst dürfte nicht der Mörder sein, da er vor dem Mord mit seinem Heerbann zu Marbold überlief.
Der Chattenfürst Adgandestrius erbot sich schriftlich beim Kaiser Tiberius, Arminius umzubringen, wenn er von dort ein Gift erhalten würde. Offiziell lehnten die Römer ab. Der romanisierte Namen des Chattenfürsten könnte germanisch Hadgan = Hagen gelautet haben. Adgandestius kämpfte zunächst mit den Cheruskern gegen die Römer, dann mit dem eineugigen Flavus, dem Bruder von Arminius, auf Seiten der Römer. Möglicherweise verschmolzen beide Gestalten zu einer, zu dem in der Nibelungensage bekannten Erzschurken, auch einäugigen Hagen von Tronje.
(Alle Bemühungen von Autoren, aus später entstandenen Erzählungen, wie Nibelungenlied und Thidreksage, Erkenntnisse zu diesem Thema zu destillieren, sind fraglich und werden hier nicht weiter verfolgt.)
Letztlich könnten auch Römer an der Ermordung von Arminius beteiligt gewesen sein. Sie setzten Agenten ein, um unliebsame Personen zu ermorden. So geschah es dem Germanen Gannascus, der im römischen Bereich geplündert hatte.
Und: Eine Erinnerung an die Mörder des Arminius in Hildesheim(?): Eine Sage aus Hildesheim kennt zwei Erzverräter: Prallas und Kattenbrack. Abbilder dieser Beiden standen aus Stein am Hagentor und wurden Jahrhunderte lang von Kindern am Karfreitag beworfen.
Das Grab des Arminius
Wenn Arminius nicht in Hildesheim den Tod fand, so könnte er dort begraben sein. Tragen wir die Indizien zusammen:
Hildesheim war seit frühester Zeit Bistum. Die Bistumsgrenzen hielten sich an die Gaugrenzen, hier der Cherusker und deren Nachfolger. Nach Jakob Grimm war der Hauptort des Fala- oder Falahagaus Hildesheim, sicher mit einer Kultstätte. Auf dem Platz der Rosenhagengassen kann sich früher ein Thingplatz befunden haben. Die Falachen/Falen waren die späteren Bewohner des Cheruskerlandes, oder, und das ist wahrscheinlicher, Falen war ihre Eigenbezeichnung.
Auch die Falachen/Cherusker dürften Hildesheim als Hauptort gesehen haben.
An prominenter Stelle liegt der Domhügel, an dem die Ost-West-Heerstraße vorbeiführte. Hildesheim lag an der sich dort kreuzenden Ost-West- und Nord-Südstraße. Das dürfte eine strategische Bedeutung gehabt haben. Sowohl Germanen als auch Römer legten ihre Gräber an Straßen an. Ein heiliger Weg führte vom Galgenberg durch das Ostertor zur heiligen Stätte, dem Domhügel.
Die Sage von der Gründung der Stadt Hildesheim sagt, dass der Dom an der heiligen Stätte errichtet wurde.
Der Domhügel wird plattdeutsch als Thumb bezeichnet. Tumb ist ein ausgemauertes Grab (lat. Tumba).
Die Wurzeln des 1000jährigen Rosenstocks am Dom zu Hildesheim liegen..“ unter dem mittleren Altar der Gruft in einem steinernen Gewölbe, welches die Figur eines Sarges vorstellt.“ (Kratz: Der Dom zu Hildesheim, 267)
Nach einer schwedischen Sage soll der Schlüssel zum Bergsaal mit dem Schatz im Kilsberge unter einem Rosenstock verborgen sein.
Nach einer Hildesheimer Urkunde hat der Bischof Hezilo (1054-1079) den Rosenstock als merkwürdiges Denkmal der Vergangenheit besonders pflegen lassen. Bei Grabungen am Rosenstock wurde ein kleines, kreisrund gewesenes (römisches?) Quellfassungsloch, welches sich neben einem Südwestaltar (!) im hier gebauten “Rundkapellchen“ deutlich abzeichnete, gefunden Aus den Steinen des Rundkapellchen hatte Bischof Hezilo eine unvollendete größere „capella rotunda“ begonnen. Ein beachtlicher Aufwand.
Der Dombezirk hatte ein Asylrecht, die Domfreiheit genannt. Asylschutz ist nach germanischem Recht mit einem Ahnengrab verknüpft.
Rosengärten und das Asylrecht deuten zusammen auf Friedhof und Stätten der Rechtsprechung.
Hildesheim dürfte noch Überraschungen bereit halten.
Der Schatz des Arminius
In den Kriegen gegen die Römer muss den Germanen unermessliche Beute zugefallen sein: Rüstungen, Werkzeuge, Hab und Gut der Soldaten, das der Händler und das Eigentum des Varus und seiner Unterführer.
Der Hildesheimer Silberschatz der 1868 am Galgenberg in Hildesheim gefunden wurde. Er gehörte mehren römischen Vorbesitzern, und war der hälftige Teilbestand eines größeren Silberensembles mit einem Gewicht von 54 Kilogramm.
Das über 70-teiliege Silbergeschirr ist in augusteischer Zeit verborgen worden und könnte daher im Zusammenhang mit der römisch-germanischen Auseinandersetzung zur Okkupationszeit stehen. Ehemals wohl Eigentum eines römischen Offiziers, ob in einer der Varuslegionen, lässt sich natürlich nicht nachweisen. Varus dürfte nach Mehrheitsmeinung nicht der Besitzer gewesen sein, dafür wäre die Menge des Silbergeschirrs, auch in Verdoppelung, zu klein. Ein Römer dürfte es kaum in Hildesheim vergraben haben, es sei denn, die Sage stimmt, dass Hildesheim von den Römern gegründet wurde. Wenn nicht, wäre der Schatz germanisches Beutegut, das geteilt werden musste. Aber wer mit wem? Arminius mit Ingiumerus oder mit Segestes, der später seinen Beuteanteil an die Römer abgab.
Und der Besitzer könnte doch ein Soldat der Varusarmee gewesen sein: Sechs der Teile des Schatzes weisen unterschiedliche Namensinschriften auf, auf einer Kasserolle M.AR.C. = Marcus Aurelius Caelius. Auf einem Kenotaph, das man beim Legionslager Vetera am Rhein fand und das an einen Gefallenen der Varusarmee erinnert, steht: M. Caelius.
Möglich wäre es m.E. auch, dass das Geschirr im Besitz eines Germanen war, der im römischen Dienst hochrangige Positionen erworben hatte und in seine Heimat zurückgekehrt war. Das Geschirr wurde geordnet verborgen, offenbar war eine unmittelbar Kriegsgefahr nicht gegeben, aber eine drohende Gefahr: Verwandtenkämpfe? Letztlich ist auch noch eine Opferung (zur Abwendung einer Gefahr?) denkbar.
Die ältere Sagenversion spricht von Verbergen des Schatzes in einem Berg (s. oben). Aber niemand wisse mehr den Ort.
Auch das Repräsentationsgeschirr des Varus, ob geteilt oder ungeteilt, könnte noch in einem Berg verborgen sein.
Oder ist der Schatz, oder Teile davon, bereits gefunden worden? Nach einer Osnabrücker Sage soll Karl der Große den Schatz des Königs Herkules gefunden haben.
Benutzte Literatur (Auswahl)
Bemmann, Klaus: Arminus und die Deutschen, Essen 2002
Beneke, A.: Siegfried ist Armin, Dortmund 1911
Bickel, Ernst: Arminiusbiographie und Sagensigfried , Bonn, o.J.
Busse, Reinhold: Varus starb auf dem Sintfeld, in: homepage: Freundeskreis Römerforschung Weserbergland –Beiträge – Zeit vor den Römern. Stand 2006
Der Siegel: Die Spur des Drachens, 20/2005, 146-159
Henkel, Gerhard: Die Wüstungen des Sintfeldes, Paderborn 1973
Höfler, Otto: Siegfried, Arminius und der Nibelungenhort, Wien 1978
Ders.: Siegfried Arminius und die Symbolik, Heidelberg 1961
Jellimghaus, R.: Arminius und Siegfried, Kiel und Leipzig 1891
Krause, Horst: Siegfried – Hermann –Armen, o. J. und Ort
Ders.: Der Domhügel in Hildesheim – Das Grab des Cheruskers?, o.J. und Ort
Müller, Wilhelm: Teutoburg, Irminsul und Siegfriedfrage, Weimar 1937
Motz,von Ulrich: Siegfried-Armin, Pähl, o.J.
Neues zur Frühzeit Hildesheims, in: Heimatland, Hannover, 38-41.
Poss, Emil: Siegfried-Sigurd, der Drachentöter, Köln, Graz 1966
Raszmann, August: Die Sage von den Wölsungen und Niflungen in der Edda und der Wölsungasaga, Hannover 1863
Reichert, Hermann: Zum Namen des Drachentöters. Siegfried – Sigurd – Sigmund – Ragnar. In: Festschrift für Dieter Geuenich, RGA Ergänzungsband 62
Schierenberg, G. August B.: Deutschlands Olympia (Secretiora Gemaniae) oder Vom Gottesgericht über Roms Sieggötter!…, Frankfurt am Main, o.J.
Ders.: Der Ariadnefaden für Labyrinth der Edda oder Die Edda eine Tochter des Teutoburger Waldes, Frankfurt a. Main 1889